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Wer sind wir und was ist PostKulturwissenschaften?

Wie kommen wir dazu von PostKulturwissenschaften zu sprechen und was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Einerseits sind wir beide Absolventen des Master- und Bachelorstudiengangs Kulturwissenschaften an der Uni Leipzig. Das post lässt sich also durchaus als ein zeitliches Danach interpretieren. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir mit den Kulturwissenschaften abgeschlossen hätten. Vielmehr wollen wir den im Laufe des Studiums eingeübten kulturwissenschaftlichen Blick weiterhin auf gesellschaftliche Phänomene beziehen und diese Perspektiven selbst auch kritisch diskutieren. Dies rühret nicht zuletzt aus der Erfahrung, dass wir im Studium immer wieder auch Perspektiven und theoretischen Setzungen begegnet sind, die wir als fragwürdig (im Sinne von befragenswert) empfunden haben. Zumeist wurden diese von Kommiliton*innen geäußert, selten von Dozierenden. Dies schlug sich in einem lieblosen Umgang mit Theorie nieder, welche je nach Bedarf für das aktuelle Thema herangezogen wurde, ohne über die Kompatibilität der Versatzstücke nachzudenken und auf mögliche innere Widersprüche und problematische Implikationen zu reflektieren. Uns ist bewusst, dass ein Studium an solche Fallstricke erst heranführen soll und dass alle Konsequenzen einer theoretischen Entscheidung schwerlich en détail antizipierbar sind. Dennoch zeichnete sich die Tendenz, Theoriearbeit als Nebenprodukt einer Auseinandersetzung mit konkreten, kulturellen Phänomenen und als etwas Nachgelagertes zu begreifen, deutlich ab. Eine weitere Bedeutung von post im Titel dieser Seite besteht folglich in einem reflexiven Danach, dass wir in der Auseinandersetzung mit theoretischen und methodischen Problemlagen gewinnen wollen.

Die Eigentümlichkeit des Leipziger Instituts für Kulturwissenschaften besteht in dessen sozialwissenschaftlicher Ausrichtung und der Orientierung an einem Kulturbegriff, der weniger auf eine gesellschaftlich abgrenzbare Sphäre der Kultur (Literatur, Theater/Film, bildende Kunst oder Musik) abhebt, sondern auf eine spezifische Perspektive auf das Wechselverhältnis von Individuum und Gesellschaft. Diese kulturwissenschaftliche Perspektive fragt nach der Hervorbringung von Sinn- und Bedeutungszusammenhängen entlang der Interpretation und Deutung gesellschaftlichen Handelns sowie der damit verbundenen Konstruktion sozialer Wirklichkeit. Folglich wird Kultur nicht primär als normatives Konzept geistiger Höherwerdung und Kultivierung (cultura animi) verstanden, sondern bezieht alle menschlichen Tätigkeiten sowie deren immateriellen und materiellen Objektivationen ein (natura altera). Eng mit einem solchen deskriptiven Kulturbegriff verbunden, ist die wissenschaftliche Aneignung des Alltäglichen.[1]

Wir verstehen PostKulturwissenschaften als ein Work-in-Progress-Projekt, in dem wir vorläufige Gedanken thesenhaft formulieren, sie gegebenenfalls auch revidieren und die wir untereinander und mit Dritten diskutieren möchten. Dies bedeutet auch, dass wir stellenweise unterschiedliche Positionen vertreten und nicht zwangsläufig die jeweilige Auffassung des Anderen teilen.

Neben unseren kulturwissenschaftlichen Reflexionen wollen wir auch die Möglichkeit nutzen gesellschaftspolitische Diskussionen und Entwicklungen zu kommentieren. Diese Kommentare mögen weniger distanziert sein, speisen sich jedoch aus einer Idee von Wissenschaft, die sich nicht gegenüber gesellschaftlichen Prozessen abschließt und nach den Bedingungen der Möglichkeit von Emanzipation fragt. In diesen Blogbeiträgen wollen wir daher auch bewusst eine persönliche Perspektive einnehmen und sofern es möglich ist, versuchen wir diese unterschiedlichen Arten von Beiträgen auch entsprechend zu kennzeichnen. Wie für unsere (post-)kulturwissenschaftlichen Überlegungen gilt auch hier, dass unsere Gedanken von Vorläufigkeit und Unabgeschlossenheit gekennzeichnet sind – etwas, das außerhalb von religiösem Dogmatismus eigentlich selbstverständlich sein sollte, aber im Alltag leider nur selten der Fall ist.

Sebastian & Christian


[1] Vgl. Ute Daniel, „Kultur“ und „Gesellschaft“. Überlegungen zum Gegenstandsbereich der Sozialgeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft, 19 (1993) 1, 71 ff; Vgl. Klaus Christian Köhnke, Einleitung des Herausgebers, in: Moritz Lazarus/Klaus Christian Köhnke, Grundzüge der Völkerpsychologie und Kulturwissenschaft (Philosophische Bibliothek, Bd. 551), Hamburg 2003, S. IX – XXXVII.

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